Venture Capital: Riskante Investitionen mit hohen Renditen?
Zahlt eine Beteiligungsgesellschaft Eigenkapital beispielsweise in ein Unternehmen, welches noch in den Kinderschuhen steckt, wird dies als Risikokapital, Wagniskapital oder auch Venture-Capital (VC) bezeichnet. Wie der Name schon andeutet, gehen die Geldgeber dabei ein sehr hohes Risiko ein – im schlechtesten Fall können sie ihr Kapital sogar komplett verlieren. Warum ist das Risiko so hoch? Was zeichnet diese Investment-Form aus? Und was sind die Vorteile von Wagniskapital gegenüber sicheren Investitionen?
Unterschied Private Equity und Venture-Capital
Venture-Capital ist eine Unterkategorie von Private Equity. Der englische Begriff Private Equity (PE) bezeichnet im Allgemeinen privates Beteiligungskapital, also Investitionen bzw. Geldanlagen, die in nicht börsennotierte Unternehmen getätigt werden. Zwar gibt es die klassische externe Eigenkapitalfinanzierung schon lang als gängiges Finanzierungsinstrument. Doch hat sich Private Equity erst seit den 1960er Jahren zu einem eigenen Zweig in der Geldanlagebranche entwickelt. Gemäß seiner prozentualen Beteiligung verlangt der Eigenkapitalgeber hierbei einen Anteil am Gewinn.
Die Investitionen werden in der Regel von professionellen Kapitalbeteiligungsgesellschaften, so genannten Private Equity Gesellschaften (PEGs), verwaltet. Weltweit sind das vor allem britische und amerikanische Firmen sowie mehrere kleine nationale Beteiligungsfirmen. Große amerikanische Equity-Firmen wie Apollo Global Management oder Kohlberg Kravis Roberts & Co. werden in Europa meist mit einheimischen Tochterfirmen und einem lokal ansässigen Management vertreten. In Europa sind es jedoch größtenteils europäische Investoren, die Kapital zu Verfügung stellen.
Venture-Capital: Investitionsphase entscheidend
Wer sein Kapital in ein sehr junges Unternehmen stecken will, um etwa die Unternehmensplanung oder -gründung zu ermöglichen, steigt in der Frühfinanzierungsphase oder in der Wachstumsphase ein – genau das bezeichnet man dann als Venture-Capital. Hier gehen die Geldgeber in der Regel ein höheres Risiko ein, da bei Start-up Investments der Entwicklungsstand der frisch gegründeten Unternehmen noch völlig offen ist und ob sich ihr Konzept in der freien Wirtschaft durchsetzen wird. Zeitgleich bieten sie durch ihren hohen Grad an Innovation aber auch gute Chancen auf Wachstum und Erfolg. Entlehnt aus dem englischen „venture“ (zu Deutsch: Wagnis) wird bei dieser Form der Finanzierung deshalb auch von Risiko- oder Wagniskapital gesprochen.
Prinzipiell geht es beim Venture-Capital darum, den jungen Unternehmen zu helfen, diverse Wachstumshürden zu nehmen und sich entsprechend zu vergrößern. In den 1990er Jahren hat man den Begriff Venture-Capital meist mit Software- und Internetfirmen in Verbindung gebracht, was daran lag, dass diese auch den Großteil in dieser Beteiligungsbranche ausmachten. Kapitalgeber können ihr Geld auch während einer Krise in ein Unternehmen stecken. Dabei geht es für gewöhnlich darum, die Firma bei dem so genannten Turnaround zu unterstützen. Ziel ist es hier, das wieder eine finanzielle Stabilität in die Strukturen zurückkehrt.
Venture-Capital: Eine Art Entwicklungshilfe
Man sollte sich im Zusammenhang mit dem Begriff Venture-Capital also von dem Gedanken distanzieren, dass es sich bei dieser Art von Kapital um einen Kredit handelt. Vielmehr ist diese Investment-Form als eine Art Business-Entwicklungshilfe zu verstehen. Ein Venture-Capitalist unterstützt Start-Ups, junge Unternehmen oder eine innovative Idee mit monetären Mitteln – und natürlich dem Ziel, seinen Gewinn zu maximieren.
Neben monetärer Unterstützung teilen die Gläubiger auch oftmals betriebswirtschaftliches Wissen, um den jungen Unternehmern zu helfen, ihre Idee erfolgreich voranzutreiben. Dabei spricht man auch von sogenanntem intelligentem Kapital („smart capital“). Der Investor kann damit aktiv in die Tätigkeit des Unternehmens eingreifen und mit seinen eigenen Kontakten etwa in der Aufbauphase eines neuen Netzwerkes oder bei wichtigen Personalentscheidungen helfen.
Aus Sicht der Geldnehmer ist diese Form der Kapitalbeschaffung oftmals die einzige Möglichkeit. Denn die jungen, nicht börsennotierten Unternehmen (Start-ups) erhalten selten einen regulären Bankkredit, da sie weder genügend Sicherheiten noch Eigenkapital aufbringen können. Denn die Mindestbeteiligungen liegen in Deutschland immerhin bei 20 bis 35 Prozent.
Einstufung in Stages
Die Investitionsstufen von Venture-Capital – auch Stages genannt – definieren sich nach den verschiedenen Phasen der Unternehmensentwicklung. Die Stufe mit dem höchsten Risiko ist die Seed-Finanzierung. Sie findet statt, solange sich das Start-up noch in der Seed Stage (zu Deutsch: Samen) – also ganz am Anfang befindet.
Das Venture-Kapital der darauffolgenden Early Stage-Finanzierung wird zumeist für sämtliche Aktivitäten nach Vollendung der Produktentwicklung genutzt – an dieser Stelle hält sich das Risiko des kompletten Geldverlustes in Grenzen.
Die Later-Stage Finanzierung bezeichnet die Growth-Finance Phase bzw. Expansion. In der letzten Stufe – auch Exit genannt – werden in der Regel die Unternehmensanteile von den Gründern zurück gekauft. In manchen Fällen kauft diese Anteile ein anderer, finanzkräftiger Investor, welcher in das Unternehmen einsteigen möchte. Nur in der Exit-Phase erhalten die Kapitalgeber Geld – denn bei Venture-Capital-Investitionen werden den Gläubigern keine Dividenden oder Zinsen ausgezahlt. Der Gewinn liegt also alleine im Verkauf der Anteile.
Alternativen zu Risikokapitalgesellschaften?
Noch bevor Beteiligungsgesellschaften in die jungen Firmen investieren, suchen sich die Unternehmensgründer häufig die nötigen Finanzmittel von Freunden und Angehörigen. Auch das sogenannte Crowdfunding hat sich bei der Finanzierung von Start-ups mittlerweile etabliert. Beim Crowdfunding finanziert der Schwarm – also viele Investoren und Kleinanleger mit kleinen Beträgen – ebenfalls ein Start-up.
Vergleichbar zur Venture-Capital-Investition ist das sogenannte Crowdinvesting (Equity-based Crowdfunding). Hier erhalten die Kleinanleger eine Beteiligung an zukünftigen Gewinnen des finanzierten Projekts oder, wenn das Investment mit Wertpapieranlagen verbunden ist, Anteile oder Schuldinstrumente. Somit spekuliert der Investor ebenfalls auf eine finanzielle Rendite. Hauptsächlich unterscheidet sich diese Art der Finanzierung vom Venture-Capital in der Hinsicht, dass beim Crowdinvesting viele Privatanleger kleine Investitionen tätigen können. Das Risiko ist hier also etwas überschaubarer als beim Wagniskapital.
Anreizprobleme: Wenn Interessen auseinander klaffen
Aus ökonomischer Sicht ist Risikokapital eine Finanzierungsform, die in besonderem Maße durch Anreizprobleme zwischen Venture-Capital-Investor und Start-up geprägt ist. Das Problem liegt in der Transparenz: Denn die Beteiligungsgesellschaft kann nicht unbedingt genau beobachten, ob der Unternehmer das zur Verfügung gestellte Geld tatsächlich im Sinne der Investoren einsetzt – nämlich in der Form, dass der Unternehmenswert erhöht wird. Um diese Interessenschere abzuschwächen, haben Risikokapitalgesellschaften daher verschiedene typische Vertragsstrukturen und Kontroll- und Eingriffsrechte etabliert. Im drastischsten Fall können sie den Unternehmer bei schlechter Leistung sogar entlassen.
Eine weitere Möglichkeit für Investoren, Einfluss zu nehmen ist, dass sie das Kapital in mehreren Tranchen zur Verfügung stellen. Dabei gilt die Bedingung, dass nur weiterfinanziert wird, wenn bestimmte Meilensteine erreicht wurden („staging“). Auch Wandelanleihen werden bevorzugt eingesetzt. Sie geben den Risikokapitalgesellschaften die Möglichkeit, an guten Unternehmensergebnissen teilzuhaben und dennoch bei schlechtem Verlauf weiterhin eine laufende Verzinsung und ggf. Priorität im Konkursfall zu erhalten.
Venture-Capital in der Praxis
Die Online-Plattform www.fuer-gruender.de schätzt, dass es rund 110 aktive Venture-Capital-Gesellschaften in Deutschland gibt. Beispiele bekannter Wagniskapitalgeber sind BrainsToVentures (b-to-v), eCapital, Evonik Corporate Venturing – um nur einige zu nennen. Aber wie finden Start-ups die richtigen Beteiligungsgesellschaften für ihr Projekt?
Zunächst einmal sollte ein Unternehmensgründer einen Businessplan oder eine Präsentation erstellen, die seine Geschäftsidee erfolgsversprechend darstellt. Dieser definiert diverse Ziele und Strategien des Unternehmens für einen gewissen Zeitraum. Dazu zählen grundsätzlichen Voraussetzungen, Vorhaben und Maßnahmen.
Mit diesem Businessplan kann er sich dann bei verschiedenen Venture-Capital-Investoren bewerben. Wichtig ist hierbei, sich vorab auf der Homepage zu informieren. Welche Bedingungen stellt der Venture-Capitalist an ein Start-up? Investiert er nur in bestimmte Branchen oder Regionen? All diese Grundvoraussetzungen sollten für jedes individuelle Projekt vorab überprüft werden.
Eine weitere Möglichkeit, die richtige Beteiligungskapitalgesellschaft zu finden, bietet – neben der persönlichen Kontaktaufnahme bei fachspezifischen Messen und Veranstaltungen – auch die Suche über das Internet. Auf der Webseite des Bundesverbands Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK) ermöglicht eine spezielle Suchfunktion, eine Beteiligungsgesellschaft anhand der jeweiligen Investitionskriterien zu finden.
Die Suchfunktion basiert auf den Profilen der ordentlichen BVK-Mitglieder im Mitgliederverzeichnis und soll Kapitalsuchenden Unternehmen bei der Identifikation potenzieller Kapitalgeber und der anschließenden Kontaktaufnahme unterstützen. Der bereits 1988 gegründete BVK ist die Interessensvertretung der Private Equity-Branche in Deutschland. Diese umfasst die Private Equity-Gesellschaften – von Venture-Capital über Wachstumsfinanzierung bis zum Buy Out-Bereich – sowie die institutionellen Investoren, die in Private Equity investieren. Der BVK vertritt über 320 Mitglieder, davon 205 Beteiligungsgesellschaften
No Risk no Money?
Der Trend, verstärkt in junge Firmen und Start-ups zu investieren, zeichnet sich besonders in den USA ab. So wurden laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) 2015 mehr als doppelt so viele Gelder in Venture-Capital-Investitionen gesteckt wie noch im Jahr 2007. Ebenfalls deutlich erkennbar: Ab 2013 setzt ein regelrechter Boom in Sachen Venture-Capital in den USA ein – ein Zeichen dafür, dass sich der US-Finanzmarkt allmählich erholt.
Auch in Deutschland hat sich in den letzten Jahren einiges verbessert. Für Start-ups sowie junge Unternehmen hat sich der Zugang zu Venture Capital signifikant vereinfacht. Eine Analyse der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY (Ernst & Young) kam zu diesem Ergebnis: Mit Investitionen von 823 Millionen US-Dollar im Jahr 2011 belegte Deutschland nur den zwölften Rang im Regionen-Ranking. 2014 zeichnet sich im Vergleich zu 2011 eine Steigerung vom 250 Prozent ab.
„Aktuell fließt in Deutschland und weltweit sehr viel Geld in junge Unternehmen – das sind gute Nachrichten für Entrepreneure, aber auch für die jeweiligen Volkswirtschaften. Die Zuversicht und die Risikobereitschaft der Investoren sind so groß wie lange nicht mehr. Sie stehen bereit, um für gute Ideen gutes Geld zu geben. Einer der Hauptgründe für den Investitionsboom dürfte allerdings die hohe Liquidität im Markt sein – derzeit sucht sehr viel Geld nach renditeträchtigen Geldanlagen. Eine Rolle spielen aber auch die immer professionelleren Netzwerke von Investoren auf der einen und Start-up-Unternehmen auf der anderen Seite“, sagt Peter Lennartz, Partner bei EY und verantwortlich für den Bereich Start-ups.
Zum Artikel: Geldanlagen im Vergleich
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